Ich fahre eine zitronengelbe Knutschkugel, aus Überzeugung natürlich, das versteht sich von selbst. Es gibt ausschließlich visuelle Warn- und Kontrollleuchten, genau acht. Wenn ich als Beifahrerin in einem anderen Modell sitze, erinnern mich die vielen akustischen und visuellen Hinweise gelegentlich ein wenig an das Batmobil. Da gibt es Autos, die die Innen- und Außentemperatur anzeigen, lautstark den Reifendruck monieren, sich mit dem Smartphone verbinden und gefühlt ständig klingeln, piepsen und etwas mitzuteilen haben. Bei unserem Körper ist das übrigens ganz ähnlich, nur noch viel ausgefeilter, sofern wir es denn fühlen möchten.

Über Jahrtausende war es uns möglich, im Einklang mit der Natur und dem eigenen Biorhythmus zu leben. Ob wir uns nun dessen bewusst sind oder nicht, unser Körper strebt stets nach einem Gleichgewicht, der sog. Homöostase. Unser Stoffwechsel funktioniert in Zyklen und Rhythmen, wie ein perfekt abgestimmtes Orchester. Im Zuge des modernen oft vollgepackten Alltags trainieren wir uns so manches Körpergefühl, wie z. B. den natürlichen Durst oder den Drang auf Toilette zu gehen bis zu einem gewissen Punkt regelrecht ab. Oft gar nicht mal bewusst. Es ist einfach die logische Konsequenz des Alltags.

Der Körper hat das ein oder andere zu sagen. Er kann dies sehr leise und subtil tun oder eben bei Bedarf, sofern die Botschaft einfach nicht ankommt auch etwas lauter. Hilft alles nichts, wird man auch gerne mal so richtig ausgebremst. Als ich begann Medizin zu begreifen faszinierte mich vor allem die Tatsache, dass wir im Überfluss angelegt sind. Wir können mit einer gesunden Niere leben, sind nicht aus Zucker, besitzen sowohl körperlich als auch seelisch die Fähigkeit zur Regeneration, große Selbstheilungskräfte und halten wirklich eine ganze Menge aus. Vergisst man bei der Urlaubsplanung dafür zu sorgen, dass ein lieber Mensch die Zimmerpflanzen gießt – also die, die nicht aus Plastik sind -, verwundert es nicht, wenn die Pflanzen nach Wochen eingegangen sind. Kultiviert man dagegen über lange Zeit einen Lebensstil, welcher auf der Philosophie basiert, dass die vier apokalyptischen Reiter praktisch jeden Moment durchs Dorf galoppieren könnten, ist so mancher dann doch unangenehm überrascht, wenn plötzlich Folgen spür- und messbar sind.

Weder seelisch noch körperlich sind wir für Extreme gemacht. Da (Achtung Spoiler!) keiner von uns lebend hier raus kommt, macht es nicht unbedingt Sinn – und übrigens auch keinen Spaß – sich selbst wie ein Andenken zu behandeln. Die Wahrheit liegt, wie so häufig, irgendwo in der Mitte. Irgendwo, weil jeder individuell und die Medizin, im Gegensatz zur Mathematik keine exakte, sondern eine Erfahrungswissenschaft ist.

Der Engländer bringt es auf den Punkt:” Use it or lose it”. Dies gilt für Körperliches ebenso wie Seelisches. So mancher Unternehmensberater würde in Anbetracht der Effizienz und Ökonomie der Natur und damit auch unseres Körpers vor Neid erblassen. Doch nichts ist in Stein gemeißelt, Fähigkeiten, von denen man glaubte, dass man Sie nicht (mehr) hat, kann man wieder entwickeln, ebenso Muskeln oder das Körpergefühl. Folgen des modernen Lebens werden gerne mit modernen Lösungen beantwortet. Es gibt Fitnessuhren, Apps usw, die z. B. unsere ganz persönliche Beziehung zu Morpheus analysieren. Wer mag kann somit den Weg zurück zu sich selbst technisch beginnen.

Und auch die Natur reagiert auf unseren Lebenstil. Da Menschen und Menschengemachtes viel Lärm verursachen, gibt es zum Beispiel Vogelarten, die morgens einfach früher ihr Liedchen trällern, zu einer Zeit, in der die Welt noch relativ leise ist. Dann gibt es Arten, die Feuer mit Feuer bekämpfen und einfach lauter singen, bzw. überwiegend die hohen Frequenzen nutzen, da Menschenlärm sich eher in den tieferen Frequenzen abspielt. Die Männchen einiger Arten nehmen Menschenlärm, zum Beispiel Klingeltöne in ihr Gesangsrepertoire auf, um sich so für die Weibchen zur Balzzeit noch attraktiver zu machen; so geht Evolution.

Wer jemals die Erfahrung gemacht hat, auf dem Land – wo man ohnehin stellenweise keinen Empfang hat – beim Telefonieren im Grünen plötzlich von einem Piepmatz übertönt zu werden, der spontan ein Liedlichen schmettert, weiß, was ich meine.

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