Scharf zu sehen ist etwas Feines, auch im metaphorischen Sinne.

Sehen bedeutet grob gesagt die Umwandlung von Lichtteilchen in Chemie. Zentral am Augenhintergrund, exakt in der Sehachse liegt der gelbe Fleck. Dieser ist tatsächlich gelb, was an der großen Menge Carotinoide – Vorstufen des „Sehvitamins“ A – liegt. Die Sehgrube wiederum liegt zentral im gelben Fleck, sie ist die Stelle des schärfsten Sehens. Im Auge befinden sich Nervenzellen, die sog. Stäbchen oder Zapfen tragen. Stäbchen erzeugen unschärfere Bilder, da sie die Lichtinformationen weniger genau abbilden. Dafür sind sie aber lichtempfindlicher. Stäbchen benötigen wir überwiegend für das Sehen in der Dämmerung. Zapfen dagegen sorgen dafür, dass wir Farben sehen können. Sie benötigen helles Licht und lösen die Strukturen sehr fein und scharf auf. Zapfen ist jedoch nicht gleich Zapfen. Es gibt Zapfen für grünes, rotes und blaues Licht. Der gelbe Fleck enthält kaum Stäbchen. Dafür befinden sich aber alleine in der Sehgrube über 100.000 Zapfen. Damit Licht in die Sehachse umgelenkt werden kann, stattete die Natur unsere Augen mit natürlichen Brechkräften aus. Die Hornhaut hat eine fest eingestellte Brechkraft von ca. 43 Dioptrien. Die Brechkraft der Linse von ca. 15 Dioptrien kann sich dagegen wie die Blende einer Kamera verändern. So passt sie sich der Nähe und Ferne in einem gewissen Rahmen an. Der gelbe Fleck ist mit einer Fläche von ca. 2,5 Quadratmillimeter sehr viel kleiner als so manches, das uns ins Auge fällt. Die Brechungsmedien sorgen dafür, dass das Bild sowohl verkleinert als auch umgekehrt auf dem gelben Fleck landet. Die Sehrinde im Hinterhaupt ist dafür verantwortlich, dass alles wieder hübsch zurechtgerückt wird und unsere Welt optisch nicht Kopf steht. Eine logische Konsequenz des Ganzen: Wer am nächtlichen Himmel einen schwach strahlenden Stern bestaunen möchte, muss an diesem vorbeischauen. Wird der Stern genau fixiert, verschwindet er.

Licht besteht aus Violett, Blau, Grün, Gelb, Orange und Rot. Diese Farbmischung ergibt Weiß und ist damit für uns „unsichtbar“. Bei einem Regenbogen kann man all die verschieden Lichtfarben getrennt betrachten. Die Färbung, also die Farbtemperatur des natürlichen Sonnenlichts verändert sich im Laufe des Tages. Wir benötigen täglich ausreichend Tageslicht um „richtig zu ticken“. Insbesondere das im Sonnenlicht enthaltene blaue Licht hat Einfluss auf unseren Schlaf- und Wachrhythmus. Dieses hat eine Wellenlänge zwischen 446 und 477 Nanometern. Über das Auge und die anschließende Sehbahn gelangt das Licht zum Nucleus Suprachiasmaticus, einem kleinen Bündel aus Nervenzellen oberhalb der Sehnervenkreuzung. Dieses winzige Nervenzellbündel teilt der Zirbeldrüse mit, ob es gerade hell oder dunkel ist. Mit zunehmender Dunkelheit wird vermehrt Melatonin, das Schlafhormon produziert. Das blaue Licht von Bildschirmen hat übrigens einen gewissen wachmachenden Effekt auf uns. Der Tag hat bekanntlich 24 Stunden. Unser natürlicher Biorhythmus jedoch 25, deswegen neigt so mancher dazu, im Laufe der Woche immer ein wenig später ins Bett zu gehen. Die Lichtintensität wird in Lux gemessen. Diese liegt in Nordeuropa an einem wolkigen Tag bei ca. 10.000 lux, am Äquator dagegen an einem sonnigen Tag bei etwa 80.000 lux. Die Multiple Sklerose zählt zu den neurologischen Autoimmunerkrankungen. Interessanterweise kommt diese am Äquator kaum vor. Die Wahrscheinlichkeit an MS zu erkranken nimmt zu, je weiter man sich vom Äquator entfernt. Dieser geographische Zusammenhang wurde 1967 in empirischen Studien erfasst. Es ist also denkbar, dass Licht einen Einfluss auf die Erkrankung ausübt.

Kommen wir noch mal zurück auf das „richtig ticken“. All unsere Organe haben ihre eigene „Uhr“. Die Nebennierenrinde zum Beispiel produziert in den frühen Morgenstunden am fleißigsten Cortison. Die „Oberuhr“ des Organismus ist wie beschrieben der Nucleus Suprachiasmaticus. Licht ist ein Nährfaktor für uns. Es wirkt sich positiv aus, wenn das natürliche Tageslicht die Netzhaut – also ohne Brille oder Kontaktlinsen – täglich wenigstens 20 Minuten unmittelbar trifft; natürlich ohne dabei direkt in die Sonne zu sehen. Unser Biorhythmus braucht also Licht um richtig schön rund zu laufen. Ein Mangel an natürlichem Licht kann negativen Einfluss auf den weiblichen Zyklus und damit die Fruchtbarkeit haben. Es mag in unserer modernen Welt ein wenig mystisch klingen, aber auch der Mond und die Gezeiten spielen neben dem Licht bei der Regulierung des natürlichen Zyklus und der Fruchtbarkeit eine Rolle. Ich las von einer Forschungsreihe an der annähernd 2.000 Frauen teilnahmen, deren Zyklus unregelmäßig war. Es war die Aufgabe der Teilnehmerinnen drei Tage um den Eisprung herum nachts am Bett eine Lampe brennen zu lassen. Bei über der Hälfte der Teilnehmerinnen stellte sich wieder ein regelmäßiger Zyklus ein. Leben Frauen ohne die Gabe von synthetischen Hormonen in einer natürlichen Umgebung zusammen, setzt der Eisprung meist bei Vollmond und die Menstruation meist bei Neumond ein.

Wenn UV-Licht auf die Haut trifft, wird Cholesterin zu Vitamin D1 umgewandelt. Damit der chemische „Zauber“ in Gang gesetzt wird, bedarf es einer Strahlung von 290 – 315 nm, also im Bereich des UV-Bs. In der Leber wird das Vitamin D1 zu Vitamin D2 aufgebaut, dem Calcidiol. Die Niere vollendet den Prozess und stellt das stoffwechselaktive Hormon Vitamin D3 her, das Calcitriol. Das natürliche Cacidiol wird von der Leber ins Blut abgegeben und hat eine Halbwertszeit von ca. zwei bis drei Wochen. In physiologischen Mengen ist es nicht biologisch aktiv, sehr wohl aber in Mengen, die aus einer Substitution in Extremdosen entstehen. Mit dem Alter verliert die Haut die Fähigkeit Vitamin D zu bilden, daher kann es Sinn machen bei älteren Menschen den Serumspiegel zu bestimmen. Vitamin D3 kann auch über die Nahrung aufgenommen werden, es kommt in fettem Seefisch und Fischölen vor und in geringen Mengen auch in Fleisch (Leber), Ei und Avocado. Wie viel Vitamin D ausreichend ist und was zu viel des Guten ist, darüber streiten sich nicht nur die medizinischen Geister. Alle Wirkungen des Vitamins D3, das genaugenommen ein Pro-Hormon ist, sind noch nicht abschließend erforscht. Eine wichtige Aufgabe des Vitamins ist der richtige Einbau von Calcium. Bei einer Überdosierung kann es u. a. zu einem falschen Einbau von Calcium kommen, also zum Beispiel einer Calcifizierung von Organen oder Gefäßen.

Als gebürtige Angehörige einer sog. „Haarfarbenminderheit“ – ich habe rotblondes Haar – weiß ich folgendes aus eigener Erfahrung: Je heller die Haut ist, desto sonnenempfindlicher und damit durchlässiger für UV-B ist sie auch. Je weiter man also nach Richtung Norden kommt, desto hellhäutiger werden die Menschen, das ist Evolution.

Und apropos Evolution, es gibt Lebewesen, die sind biolumineszierend; was bedeutet, dass sie ihr eigenes Licht produzieren, wie zum Beispiel die Glühwürmchen. Durch eine chemische Reaktion wandeln sie 100 % Energie in Licht um. Glühwürmchen locken durch blinken Beute und das andere Geschlecht an. Sie beginnen in der Dämmerung zu leuchten, etwa dann, wenn wir keine Farben mehr unterscheiden können. Und so schließt sich der Kreis: Zu Beginn einer warmen Mittsommernacht, wenn wir im Grünen sind und nicht ganz gezielt hinschauen, kann es sein, dass plötzlich Glühwürmchen leuchten.

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