Ich verrate Ihnen etwas über mich, wenn auch kein echtes Geheimnis. Ich bin das Kind einer Zeit in der es Brustbeutel mit der eigenen Adresse und Kleingeld darin gab, Straßenkarten, Münztelefone, Poesieablen, Tagebücher, Brieffreunde, analoge Fotografie, Walkie Talkies, Glanzbilder, Kassetten, Walkmen (nicht Walkmänner) und u. a. die UdSSR im ersten Schulatlas. Das Ganze spielte sich in meinem Fall natürlich auf dem Land ab, mit Schulbussen, Traktoren, Äpfeln und Kartoffeln, Milch frisch vom Bauernhof, in unserer eigenen Kanne; Letzeres zumindest bis Tschnerobyl. Ein helles Brötchen vom Bäcker kostete 28 Pfennig.

Maibäume gab es damals schon, nur konnte man keine Fotos davon posten. Da kommt mir ein Gedanke: Die Sache mit dem Schandbaum dürfe dieses Jahr schwierig werden – schließlich ist Toilettenpapier gerade ganz heiße Ware.

Genetwork hat man auch schon, nur eben hauptsächlich in Echt, analog und meist ohne Anglizismen. Was heute die Privatsphäreeinstellungen in Social Media und Co sind, war seinerzeit der Versuch das grüne Telefon mit Wählscheibe in ein ruhiges Zimmer zu schleppen, das lange Kabel klemmte man natürlich einfach unter der Tür ein. Die Zeit läuft nicht rückwärts und Technik entwickelt sich weiter und statt auf noch längere und stabilere Kabel zu setzten, gab es bei uns Zuhause irgendwann ein lila Wandtelefon im Flur; mit eigenem Soundeffekt. Während man sich also auf die Suche nach der gewünschten Schwester oder dem Elternteil machte, konnte der Anrufer dem Familienhund lauschen, der gründlich und lautstark am Hörer schnüffelte. Die Hardware meines ersten Handys war übrigens so stabil, dass man damit ohne Weiteres einen Nagel in die Wand schlagen konnte, vermutlich auch Dübeln – was ich nie ausprobiert habe.

2014 begann auch für mich eine neue Ära, ich kaufte mein erstes Smartphone. Das bleibt jetzt aber unter uns: Peinlicherweise habe ich mich ganze 120 Sekunden lang gefragt, wie man Bitteschön die Tastensperre einrichtet. Und so geschah es, dass auch ich in der mobilen digitalen Welt ankam und Teil von ihr wurde.

Die Kommunikationsmöglichkeiten, Social Network etc., all das kann einiges zwischen uns ändern. Ob man das nun überwiegend gut oder schlecht findet, was man daraus letztendlich macht, entscheidet jeder für sich selbst. Eine logische Konsequenz aus meiner Sicht ist jedoch, dass sich die Beziehungsebenen die wir nun mal haben, vertikal wie horizontal irgendwie verändern. Sie weichen an der ein oder anderen Stelle plötzlich auf, verschieben sich und die gute alte Privatsphäre scheint zu verwischen, unscharf zu werden. Während viele vieles teilen, wird es scheinbar immer schwieriger wirklich Echtes und Gewichtiges zu besprechen, eben dass, was einem auf der Seele liegt.

Muss einen das jetzt belasten? Es gibt zur Not doch Sprachassistenten mit denen man reden kann und Zuhören tun die doch auch – soweit ich das weiß. Digitale Welt hin oder her, es gibt Dinge, die wir nach wie vor als Menschen brauchen und dazu gehört auch ein geschützter Raum – Privatsphäre eben – in dem man einfach sein kann, ganz ohne bewertet oder beäugt zu werden, sich rechtfertigen zu müssen, in dem Dinge und man selbst reifen können. In so einem Raum kann es dann auch Menschen geben, die offen Zuhören, ohne zu urteilen, zu werten und es dann auch für sich behalten; weil man das eben so macht und aus Respekt. Weil manche Dinge eben erst dadurch zu etwas wirklich Besonderem werden oder es bleiben, indem man sie nicht mit vielen teilt, sondern mit wenigen oder gar nur einem Menschen – Weihnachten ist schließlich auch nicht jeden Tag.

Die Magie mit der echten Begegnung und dem gesprochen Wort funktioniert auch recht gut in die andere Richtung, so Manches, was vielleicht nie ausgesprochen wurde, verliert durchaus an Schwere und Tiefe, wird zur Vergangenheit, wenn man dann endlich das Schweigen bricht.

In diesem Sinne…   

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