So ist das manchmal unter Erwachsenen: Menschen, die sich nicht lieben, sind ein Paar und Menschen, die sich lieben, sind kein Paar.

Etwa 120 Km westlich der marokkanischen Küste entstand vor über 20 Millionen Jahren eine Insel aus Lava. Geologisich gehört die ca. 100 Km lange und 31 breite Insel zu Afrika. Die Vulkane, die einst Fuerteventura hervorbrachten, liegen teilweise unter der Meeresoberfläche. Der Kontrast zwischen der brauen weiten Mondlandschaft mit Wüstencharakter und dem tiefblauen Ozean ist faszinierend und hat in meinen Augen etwas sehr Ursprüngliches. Rollrasen findet sich hier eher selten, jedoch wird reichlich Aloe Vera angebaut. Fuerteventura wird der Temperaturen wegen auch „Insel des ewigen Frühlings“ genannt. Im letzten Sommer packte ich recht kurz entschlossen 18 Kg in meinen Koffer, flog 4 ½ Stunden und verbrachte eine Woche an jenem zauberhaften Ort unter lauter erwachsenen Menschen. Und dort, fern der Heimat, direkt am Atlantik, während die Perseiden über den nächtlichen Himmel sausten, ich „Spaghetti einsame Nacht“ (mit Knoblauch und Olivenöl) aß und mich mit zwei großartigen Frauen unterhielt, verstand ich es endlich: ganz egal wie erwachsen wir sind, es schlägt immer noch ein Teenagerherz in unserer Brust; metaphorisch betrachtet natürlich.

Es war Klaus Grawe, der unsere vier psychologischen Grundbedürfnisse definierte. Diese sind sowohl Eckpfeiler, als auch die Triebkraft unseres Lebens: Unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Bindung, unser Bedürfnis nach Autonomie und Kontrolle, unser Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und schließlich unser Bedürfnis nach Lustgewinn und Vermeidung von Unlust. Diese vier Grundbedürfnisse greifen eng ineinander wie ein Uhrwerk und beeinflussen sich gegenseitig. Sie bringen uns dazu, Berge zu versetzen, aber auch dazu etwas auf gar keinen Fall zu tun, wenn die Gefahr besteht, dass mindestens ein Bedürfnis empfindlich frustriert wird. Persönliche Werte können uns dazu motivieren, ein Grundbedürfnis auch mal temporär zu ignorieren oder auf längerfristige Ziele hinzuarbeiten. Zum Beispiel, wenn wir ehrenamtlich eine Arbeit verrichten, auf die wir eigentlich keine Lust haben. Wenn es in der Liebe nicht so läuft wie wir es erwarten oder uns wünschen, wenn wir zurückgewiesen oder enttäuscht werden oder uns sogar das Herz gebrochen wird, sind gleich alle vier Grundbedürfnisse mit im kenternden Boot. Alle auf einmal werden frustriert. Liebe auf den ersten Blick, Liebe die langsam und vielleicht allen Widrigkeiten zum Trotz wächst; Amors Pfeil kann uns mitten ins Herz treffen, Liebeskummer aber auch. In Herzensangelegenheiten reagiert das Herz nun mal empfindlich. Insbesondere wenn Lügen, Verrat oder allgemein fieses Verhalten wie Nachtreten hinzukommen.

Doch bevor wir erwachsen werden und möglicherweise die gegenseitige Herzensbrecherei losgeht, lernen wir zunächst einmal ganz grundlegend, wie soziale Bindungen für uns funktionieren und was wir von uns und anderen zu halten haben. Vorstellungen entstehen. Unsere sogenannte mentale Landkarte oder auch das „Innere Kind“ wird geprägt und das von Anfang an. Die Speicherform bewusster Erinnerung ist die Sprache, und die verstehen wir erst ab ca. 2 Jahren. Wir können uns also nicht bewusst an die ersten Jahre unseres Lebens erinnern, haben jedoch die Bilder dazu in den entwicklungsbiologisch ältesten Teilen unseres Gehirns abgespeichert. Diese Bilder sind mit Gefühlen und Reaktionsmustern verknüpft und können im positiven wie negativem Sinne sehr stark sein. Wir haben dann zum Beispiel in einer bestimmten Situation ein ungutes Gefühl, ohne es rational erklären zu können; weil ein Bild getriggert wurde. Kleiner Exkurs. Deswegen mag ich übrigens Traumreisen so gerne, unsere alten Gehirnareale werden mit den märchenhaften Geschichten hinter dem Ofen hervorgelockt.

Mit zwei Jahren ist die Prägung natürlich nicht abgeschlossen. Sie schreitet voran, während wir heranwachsen, in die Pubertät kommen und schließlich erwachsen werden – mehr oder weniger. Mit dem Eintritt in die Pubertät kommen die Geschlechtshormone und nochmal ein ganzer Schwung Wachstumshormone. Manchmal ändert sich alles gefühlt über Nacht, unser Körper, unser Denken, unsere Gefühle. Wir werden zu Teenagern und sehen nun das andere oder auch das gleiche Geschlecht mit etwas anderen Augen. Es beginnt für uns eine Phase des „Coming of Age“, in der wir nach Freiheit, Schönheit und Idealen suchen und streben. Wir haben Träume und sind bereit, uns in so manches großes oder kleineres Abenteuer zu stürzen. Was andere von uns denken könnten, wird plötzlich wichtiger. Es ist die Zeit von tiefen Freundschaften, die nicht selten lebenslangen Bestand haben, des sich Abnabelns und des Hinterfragens dessen, was um uns herum und in der großen weiten Welt so vorgeht. Plötzlich werden uns Widersprüche bewusst. Es ist die Zeit vieler erster Male, von Offenheit und Leidenschaft und der ersten (großen) Liebe. Unsere mentale Landkarte wird weiter geprägt. Wir machen mehr und mehr unser Ding, lesen in der Schule vielleicht Goethe und Shakespeare und sind bereit, der Welt zumindest ein wenig unseren Stempel aufzudrücken, auf dass sie ein besserer Ort werde. Es ist eine intensive Zeit, in der unsere Herzen weit, rein und offen sind.

Und dann beginnt ein neuer Akt und die Handlung verdichtet sich: Wir werden erwachsen.

Hand auf´s Herz: In unserer westlichen Welt haben nicht wenige Menschen ihre größeren oder kleineren Themen im Leben, jedoch nicht alle das gleiche. Es gibt unzählige Menschen, deren Thema eben nicht die Liebe ist. Diese Menschen waren und sind – bis auf kleinere Wölkchen am Himmel – stets glücklich und zufrieden in der Liebe. Und dann gibt es erwachsene Singles – manche finden in der Liebe sozusagen ihren ganz persönlichen „Endgegner“.

Freie Zeit ist für Erwachsene häufig ein hohes Gut und wiegt gelegentlich mehr als Geld. Die täglichen Pflichten, Verantwortung für sich selbst und andere, ein eng getakteter Zeitplan und ein recht gesetztes soziales Umfeld machen Online Singlebörsen zur logischen Konsequenz unseres digitalen Zeitalters. Sehr viele glückliche Partnerschaften und so manche große Liebe beginnt im Netz. Doch der digitale (theoretisch weite) Raum der Möglichkeiten trifft auf Erwachsene, mit all ihren (schlechten) Erfahrungen, Prägungen und manchmal auch eher unrealistischen Erwartungen. Wieso eher unrealistisch?

Um einen Menschen kennenzulernen braucht es echte Offenheit und Neugier. Wirkliches Interesse an der Person und deren Geschichte, unabhängig davon, wie es sich entwickelt. Ein Date ist kein Casting und ein potenzieller neuer Partner mehr als nur eine Rolle. Bei aller Lebenserfahrung sollten wir vor allem eines nicht vergessen: Nicht nur wir selbst, sondern auch die andere Person hat möglicherweise schlechte bis wirklich schlechte Erfahrungen gemacht. Es braucht Zeit, um einen Menschen mit all seinen Facetten und Eigenarten näher kennenzulernen. Zeit, Geduld, ein wenig Leichtigkeit, ein bisschen Übermut hier und da, eine Prise Vertrauensvorschuss und natürlich auch die Fähigkeit, gut zu kommunizieren. Denn man kann anderen nur vor die Stirn schauen und Missverständnisse oder voreilige Schlüsse sind immer drin; gerade am Anfang.

Apropos Anfang…

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“; unserem Teenagerherz auch. Dieser berühmte Vers aus dem Gedicht „Stufen“ stammt übrigens von Herrmann Hesse. Und wer weiß, wenn wir genau hinhören und uns daran erinnern, was wir längst wissen, hören wir vielleicht auf, unser eigener „Endgegner“ zu sein.

Denn irgendwo zwischen Furcht und Hoffnung, Rückzug und Annäherung, sich verschließen und sich öffnen, großen Träumen und Resignation schlägt es noch in unserer Brust, unser Teenagerherz; metaphorisch betrachtet natürlich.